Friedrich Hollaender [Lieder eines armen Mädchens]
Wenn ick mal tot bin
Wenn ick mal tot bin und in weißen Seidenkleid in meinen Sarie lieje mit Bescheidenheit, dann fällt die Schule aus, dann jeht's zum Kirchhof raus, die janze Klasse kommt bei mir ins Trauerhaus, die wolln mir alle sehn, wenn ick mal tot bin. Wenn ick mal tot bin, ach, det wird zu scheen!
Wenn ick mal tot bin, kommt ooch Pastor Eisenlohr, der liest'n schönen Vers aus seine Bibel vor: Wer ohne Schuld tut sein, der schmeiß den ersten Stein uff Liesken Puderbach, det liebe Engelein. Doch ick - ick lieg janz still, wenn ick mal tot bin. Wenn ick mal tot bin, mach ick, was ick will.
Wenn ick mal tot bin, zündn se jelbe Lichter an, die stelln se rechts und links an mir janz dichte ran, dann fällt een joldner Schein uff meen verstorbnet Jebein, und unser Lehrer, 'der fängt furchtbar an zu wein! Nur Tante freut sich sehr, wenn ick mal tot bin. Wenn ick mal tot bin, eß ick doch nischt mehr!
Wenn ick mal tot bin, schick ick aus mein kleenet Jrab mein Letzten Willn und wat ick zu vermachen hab: mein Püppchen ohne Kopp, mein rotet Band forn Zopp und dann ooch noch den jlanzrichen Perlmutterknopp. Den will ick Truden schenken, wenn ick mal tot bin. Wenn ick mal tot bin, soll se an mir denken.
Wenn ick mal tot bin, dann fängt erst mein Leben an, wenn ick durchs Wolkenmeer in Himmel schweben kann, die Engel tiriliern, die Geijen jubiliern, wenn zum Empfang von Liesken alle aufmarschiern. Mensch! Machen die een Krach, wenn ick mal tot bin. Wenn ick mal tot bin, is mein schönster Tach!
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Eines Tages Du wirst ihn vergessen Du trittst aus dem Schatten und siehst Dich verlassen es war'n keine Geister. Du schließt Deine Augen um Dich zu beschützen Dir schwinden die Sinne ein Zerfall, kein Verschwinden Du stürzst und versteinerst und sinkst ohne Frage durch schlaflose Nächte in grundlose Tage niemand versteht Dich nichts mehr wird kommen Deine innere Stimme niemand hat sie vernommen sie wollte nicht klingen Du suchst Dich zu finden in den Stimmen der ander'n.