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Der Kick

wie in "American History X"
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post 26 Feb 2006, 21:44
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makellos!
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Der Kick , wie in "American History X"

2002 erlangte das kleine Dorf Potzlow in der Uckermark traurige Berühmtheit. Die drei Jugendlichen Marcel, Marco und Sebastian prügelten auf erschreckend grausame Weise den sprachbehinderten 16-jährigen Marinus zu Tode und verscharrten ihn anschließend in einer Jauchegrube. Zumindest einer der drei, der Älteste Marcel, gehörte nachweislich der rechten Szene an. Die Tat dürfte vielen im Gedächtnis hängen geblieben sein.
Das Stück "Der Kick", die Premiere fand am Samstag im Oberen Foyer (neubau) statt, behandelt diesen Fall dokumentarisch. "Der Kick" entstand nach ausgiebiger Recherche des Autors Andres Veiel. Er ermittelte vor Ort, führte Gespräche mit Angehörigen von Opfer und Tätern, mit Nachbarn, Sozialarbeitern und der Staatsanwältin - und gibt so nicht nur einen Einblick in das Verbrechen an sich, sondern auch in die traurige Tristess deutscher Realität. Neben der eigentlichen Tat widmet sich der Autor nämlich auch dem sozialen Umfeld des Opfers und der Täter. Die junge Regisseurin Simone Eisenring inszeniert hier gnadenlos direkt, dabei jedoch nicht überschwänglich emotional oder sensationsheischend. Der Dokumentarcharakter des Stückes, unterstützt durch Videoprojektionen, wird strikt bis zum Ende durchgezogen. Die Schauspieler Hannelore Koch, Kai Roloff und Albrecht Goette - alle samt gestandene Größen am Staatsschauspiel - spielen wie erwartet fantastisch. Besonders hervor tut sich jedoch Koch, die die Wechsel zwischen den Rollen der Mutter des Täters, der Mutter des Opfers und beispielsweise der Freundin Marcels mit Leichtigkeit schultert.
Kein Stück der leichten Unterhaltung, aber absolut sehenswert und sehbar. Hier hat der neubau sein Repertoire erneut erfolgreich erweitert. Das Premiere-Publikum dankte es mit zwar nachdenklichem, aber anhaltendem Applaus. Meine Empfehlung! Unbedingt ansehen!!!

Bühne und Kostüme: Petra Schlüter-Wilke

Es spielen:

Jutta Schönfeld, Birgit Schöberl, Frau aus dem Dorf, Sandra B., Ausbilderin, Gutachterin: Hannelore Koch

Verhörender, Pfarrer, Jürgen Schönfeld, Bürgermeister, Achim F.: Albrecht Goette
Gutachter I: Albrecht Goette

Marcel Schönfeld, Matthias M., Marco Schönfeld, Heiko G.: Kai Roloff
Gutachter III: Kai Roloff

Regie: Simone Eisenring

Dieser Beitrag wurde von tjay: 28 Feb 2006, 15:41 bearbeitet


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Lore Inga Rick hat dem Wellensittich beigebracht "Hitler" und "Goebbels" zu sagen
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post 26 Feb 2006, 21:51
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der Geilste
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haste irgendwie nen link zu dem theater, weil ich kenns nicht, aber das thema des stücks klingt interessant
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post 26 Feb 2006, 21:57
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oh Mäuschen, mein Fehler! Der neubau ist der Neubau des Kleinen Hauses, dass zum Staatschauspiel Dresden gehört!

Also hier die offizielle HP

http://www.staatsschauspiel-dresden.de/front_end/index.php

Einfach zum "Kick" durchklicken smile.gif





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post 27 Feb 2006, 15:40
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alleingelassen.
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Gibt es noch etwas mehr zur Handlung, zum Inhalt zu sagen?

Zitat(Fuchs @ 26 Feb 2006, 20:44)
auf erschreckend grausame Weise*
nebenan:
Zitat(abadd0n @ 26 Feb 2006, 16:33)
Aber glaubt mir: In jedem von uns steckt die Grausamkeit, sie muß nur geweckt werden. Alles eine Frage der Umstände.*


Vielleicht ein kleiner Schwank aus meiner Jugend, der ein bisschen zum Thema passt. In unserer Klasse gab es einen dummen aber kräftigen Jungen, nennen wir ihn Hasso. Und dann gab es einen klugen aber schwachen Jungen, nennen wir ihn Siggi. Er war Klassenbester und eigentlich ein ziemliches Milchgesicht. Die ganze Woche über gab es keine Probleme zwischen Siggi und Hasso, die beiden gingen sich aus dem Weg und hatten nichts weiter miteinander zu tun.

Doch einmal in der Woche war Sportunterricht. Jeden Donnerstag Nachmittag. Nach dem Sportunterricht fing Hasso immer an, Siggi zu provozieren. Er ließ sich natürlich nicht darauf ein, er war ja nicht dumm. Aber es half nichts. Jede Woche wurde er von Hasso verdroschen. Die anderen - also wir, die übrige Klasse, standen dabei und sahen zu und amüsierten uns. Ja, zuweilen feuerten wir Hasso sogar noch an. Dabei hatten wir eigentlich gar nichts gegen Siggi, im Gegenteil: Er half uns doch oft bei den Hausaufgaben.

Es wurde von Woche zu Woche schlimmer. Hasso stopfte Siggi Gras in den Mund. Viel Gras. Er legte Siggi auf den Bauch und band ihm mit den Schnürsenkeln die Füße und die Hände am Gürtel zusammen und trat ihn dann.
Wohlgemerkt ich erzähle von der 4. Klasse. Heute frage ich mich, woher Hasso schon diese Erfahrungen im Foltern hatte. Er war wirklich gut darin. Einmal streute er Siggi auch Sand in die Augen, den Mund und die Nase. Feiner Sand von der Sprunggrube. Wir standen drumherum.

Irgendwann hatte ein Lehrer doch etwas mitbekommen und für ein paar wenige Wochen musste Hasso Siggi in Ruhe lassen. Dann kamen die Sommerferien. In den Sommerferien begann Siggi Selbstverteidigung zu erlernen. Er hatte es seiner Schwester erzählt und sie hatte ihm dazu geraten. Also fuhr er jede Woche 3x mit dem Bus in die Stadt und trainierte.

Was in der ersten Woche des neuen Schuljahres geschah, ... könnt ihr euch ausmalen.
Die beiden haben dann nie wieder ein Wort miteinander gewechselt.

Zitat(Fuchs @ 26 Feb 2006, 20:44)
Jauchegrube.

Nur konsequent.

#abd

Dieser Beitrag wurde von abadd0n: 27 Feb 2006, 15:43 bearbeitet


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..:: Wir sind gekommen Dunkelheit zu vertreiben, in unseren Händen Licht und Feuer ::..
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post 27 Feb 2006, 19:29
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Propagandapanda
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@Fuchs:
hey netter Artikel.

@abd:
der von dir geschilderte Fall hat in seiner Konsequenz keine Ähnlichkeit mit dem Vorfall in Potzlow. Von daher verstehe ich nicht inwiefern du die "Jauchegrube" mit dem Siggi/Hasso Erlebnis gleichsetzt. Kannst du das näher ausführen ?


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myrmikonos was here
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post 28 Feb 2006, 04:27
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alleingelassen.
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Nö, keine Ahnung. Was ging denn in Potzlow?

#abd
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post 28 Feb 2006, 14:03
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Propagandapanda
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http://www.verfassungsschutz-brandenburg.d...tail.php?id=468
Zitat(verfassungsschutz brandenburg.de)

Mitte November fanden Jugendliche aus Potzlow in einer Güllegrube die Leiche des 16-jährigen Marinus Sch., der seit Mitte Juli vermisst worden war. Hingeführt hatte sie ein 17-Jähriger, der den Ermittlungen zufolge selber das Verbrechen begangen hat, zusammen mit seinem 23-jährigen Bruder und einem weiteren 17-jährigen Kumpanen. Während einer Sauftour hatten die drei ihr Opfer aus einem Nachbardorf stundenlang - vor Zeugen, die bisher geschwiegen hatten - gefoltert und schließlich mit einem Stein erschlagen.

Das Motiv, das die Täter angeben, macht erschrecken: Marinus Sch. habe "undeutsche" Hosen, weit geschnittene Hip-Hop-Baggies, getragen und "sah aus wie ein Jude", weil sein Haar blondiert war. [...]





wäre ein grober abriss.

Gab auch Spiegel und Stern Artikel zum Thema.
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post 28 Feb 2006, 17:47
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Zitat
Gibt es noch etwas mehr zur Handlung, zum Inhalt zu sagen?


--> Stück anschauen!
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post 06 Mar 2006, 15:00
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Zitat(Pusteblumenkohl @ 27 Feb 2006, 18:29)
der von dir geschilderte Fall hat in seiner Konsequenz keine Ähnlichkeit mit dem Vorfall in Potzlow.*

Freilich nicht in seiner Konsequenz! Darum ging es mir überhaupt nicht.

Es ist nicht erheblich, wie sehr (quantitativ) jemand verletzt (resp. mit Todesfolge) wurde. Vielmehr möchte ich aufzeigen, wie leicht es zu solchen Vorfällen kommen kann, wie banal die Motivation des Täters sein kann.

Was wir hier als grausam verurteilen, steckt doch in uns, kann jedem passieren.

Es passiert jeden Tag, auch hier in Dresden an Kindergärten und Schulen. Nur weil dabei niemand stirbt, fasziniert es nicht, lenkt keine Aufmerksamkeit auf sich.

That's my point.
abaddon.
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post 06 Mar 2006, 15:42
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EIn bisschen sehe ich das doch anders, Luc. Der Fall in Potzlow ist meines Erachtens nach in der Tat ein Schnittpunkt vieler vieler Ereignisse und Lebensumstände. In dieser traurigen Geschichte gibt es sehr sehr viele retardierende Momente und besonders das und der Mangel an Zivilcourage macht dieses Verbrechen so erschreckend! Das die Tat wirklich grausam ist und auch als solches bezeichnet werden kann, zeigt das Theaterstück überzeugend! Das das in jedem von uns steckt, halte ich für eine gewagte Theses... aber das kann durchaus auch im Auge des Betrachters liegen!
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post 06 Mar 2006, 15:48
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Ironieresistenz I.
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Zitat(Fuchs @ 06 Mar 2006, 14:42)
Das das in jedem von uns steckt, halte ich für eine gewagte Theses... aber das kann durchaus auch im Auge des Betrachters liegen!
*

Darauf hab ich ja nur gewartet. wink.gif
Milgram-Experiment
Stanford Prison Experiment

Für Nachfragen stehe ich zur Verfügung.


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Seine Majestät, Kaiser Ironieresistenz I.

... validiert nach dem Isso-Standard 1.0 ...
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post 06 Mar 2006, 16:43
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Naja, das eine waren "normale" Personen --> das waren die Jugendlichen in Potzlow nun wirklich nicht!

Das andere war in der Situation einer Gefangenschaft, was auch nicht auf die Jugendlichen zutrifft!

Aber ich verstehe, was du damit sagen willst! Ich meine jedoch, dass das, was diesen hergang so "grausam" - oder wie auch immer die Wortwahl ausfallen darf - sind die Umstände! Eben das Umfeld, eben dieser Schnittpunkt der Ereignisse! Also eben nicht "nur", dass jemand zu so einer Gewalttat fähig ist! Wißta?
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