Zitat
Verrechnet und verraten

Von Gunnar Saft



DASS man sich in der Politik böse verrechnen kann, ist uns klar. Wie häufig das allerdings passiert, überrascht dann doch. Die sächsische Union hat jetzt zum Beispiel verhindert, dass mehrere hundert Polizeibeamte auf dem CDU-Landesparteitag Stimmung gegen die Kürzung ihres Weihnachtsgeldes machen. Und das war ganz einfach. Weil Beamte ordentliche Menschen sind, hatten sich die wütenden Staatsdiener ein paar Tage zuvor im Organisationsbüro gemeldet, ob man ihnen bei der Rechnung für den fälligen Tagungsbeitrag von 20 Euro pro Parteitagsgast etwas entgegenkommen könne. Die Christdemokraten erkannten ihre Chance und sagten: Nein! Am Ende saßen tatsächlich nur wenige Protestler im Saal. Doch für die CDU war es ein teuer erkaufter Sieg, denn nun fehlen einige Tausender in der Parteikasse. Ich meine, dafür hätte man durchaus ein paar laute Buh-Rufe in Kauf nehmen können.



VIEL geschmeidiger reagiert in solchen Fällen CDU-Wissenschaftsminister Matthias Rößler, der am Freitag die Presse über die Vorbereitung der neuen Landesausstellung in Torgau informierte. Während der Veranstaltung erklärten Kunstexperten, dass man sich im Vorfeld nicht zur erhofften Besucherzahl äußern möchte. Immerhin bestünde die Gefahr, dass man später unter der Prognose liegt und die Sache als Misserfolg abgestempelt wird. Rößler, seit Jahren in der Politik, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Den Kuli locker in der Hand, meinte er: „Das ist doch alles nur eine Frage, ob man die Statistik im Griff hat oder nicht.“



EBENFALLS verrechnet hatten sich dann etliche Bürger, als sie diese SZ-Meldung lasen: „Landtagsabgeordnete verzichten auf Diätenerhöhung!“ Die Nachricht selbst ist richtig, nur betrifft sie allein die Brandenburger Volksvertreter und nicht die aus Sachsen. Hier zu Lande dürfen sich die Parlamentarier natürlich weiter über die letzte deftige Steigerung freuen. Seit Jahresanfang gibt es pro Monat 430 Euro mehr. Wer sich angesichts der knappen Staatskasse verraten fühlt, sollte aber mit dem Zornesausbruch warten. Immerhin haben die Abgeordneten in einem Recht: In Sachsen geht es heute zwar noch nicht allen Bürgern, aber wenigstens einigen viel besser.





Ich finde das eine Sauerei! Es wird alles teurer, wir bekommen immer weniger Geld, für das was wir Arbeiten (wenn wir den arbeiten) und die bekommen immer mehr Kohle!



Ist doch krass. Die beschliessen sich einfach mal mehr Gehalt, kein Abgeordneter ist dagegen und gut ist.



Deren Essen wir mehr subventioniert als das Essen in der Mensa. Das muss man sich mal im Gehirn zergehen lassen!



Quelle: SZ Online



Und wer jetzt noch Zeit und Lust hat sich ein wenig zu ärgern liesst auch noch das >>>



Zitat
Sächsischer Landtag: Der Streit um die Diätenerhöhung



Von Knud Vetten



 
 
Marianne Mühsinger und ihre Kollegin gestern bei der Arbeit in einer Mittelschule.



23 Jahren Putzdienst für die Stadt Chemnitz. Monika Pöhler ist seit 20 Jahren dabei.



Und seit fünf Tagen wissen die beiden Frauen, dass sie bis zum 1. April ihre Kündigung bekommen.



\"Es war ein Schlag ins Gesicht. Ausschreibungen sollten so laufen, dass wir in eine private Firma kommen. Am Donnerstag wurde dann gesagt, dass Kündigung die bessere Lösung sei.\"



\"Wir saßen alle da wie versteinert. Ich sah meine Nachbarin an, sie mich. Uns wurde das gar nicht bewusst, das wir die Kündigung erhalten.\"



Insgesamt will die Stadt 170 Reinigungskräften kündigen. Den Frauen wurde eine Abfindung angeboten, um das Ende wenigstens finanziell abzufedern.



Nicht nur die Kommunen stehen mit dem Rücken an der Wand - auch der Freistaat Sachsen hat kaum mehr finanziellen Spielraum.



Trotzdem will sich die Mehrheit der CDU-Abgeordneten zum 1. April die Diäten um satte 8,6 Prozent erhöhen.  
 
     
 

 

Sächsischer Landtag  
 
 
 
Christine Clauß, CDU



\"Also ich sage einmal, Nullrunden bringen wahrscheinlich nichts, weil die Erhöhung, dann dementsprechend erfolgt - und das ist ja auch legitim, dass die Abgeordneten das anderen Gehaltssteigerungen angleichen, dann ist es von den Prozenten gleich ein bisschen mehr ... und sieht auf dem Papier dementsprechend aus.\"



Doch, doch Frau Abgeordnete. Derzeit beträgt die Höhe der Grund-Vergütung für einen Abgeordneten in Sachsen 3943 Euro ohne die zusätzlichen Pauschalen. 340 Euro mehr - das sind exakt 8,629 Prozent.  
 
Thomas Meyer, Bund der Steuerzahler Sachsen



\"Die Regierung selbst, die ja auch über die entsprechenden knappen Kassen im öffentlichen Haushalt jammert, die selbst ja auch zur Frage der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst eine Nullrunde vorgeschlagen hat, dass die plötzlich, wenn es an die eigenen Diäten geht, so ganz anders mit Geld umgehen kann oder will, das verwundert mich in der Tat auch sehr.\"



Dieses Thema ist in solchen Zeiten nicht beliebt.



\"Thema: Diäten.\"



Er war nicht der einzige Abgeordnete, der sich nicht äußern wollte. Man tut sich schwer:  
 
Ingrid Petzold, CDU-Abgeordnete



\"Wenn man die wirtschaftliche Lage sieht, habe ich Verständnis dafür, dass es auch andere Meinungen gibt, aber ich denke mir, wir haben in der Vergangenheit gerade im öffentlichen Dienst Steigerungen gehabt, haben bei Bürgermeistern, Landräten Steigerungen. Ich denke, wenn wir das miteinander vergleichen - obwohl es ein bisschen schwierig ist -, ist das für mich eine angemessene Sache.\"



Tatsächlich hatte der öffentliche Dienst Erhöhungen von mehr als zwei Prozent durchgeboxt. Katrin Brehme ist Krankenschwester im Sankt Georg in Leipzig. Sie geht mit rund 1300 Euro nach Hause. Und dabei bleibt es - auch nach der Tariferhöhung.  
 
Katrin Brehme



\"Geplant waren 2,4 Prozent Erhöhung unseres Gehaltes. Am Ende ist es so, dass wir nichts bekommen werden. Für uns war es eine Nullrunde. Es ist nichts passiert, es wird sich an unserem Gehalt nichts ändern.\"



Hintergrund. Um Kündigungen zu vermeiden, erklärten die Krankenschwestern sich einverstanden, eine Stunde pro Woche weniger zu arbeiten, und verzichten damit auf die Einkommenssteigerung. Solidarität unter Kollegen.



Die Tariferhöhungen werden an vielen Stellen relativiert. Für Ostdeutschland saß bei den Tarifgesprächen der sächsische Finanzminister Horst Metz als Verhandlungsführer am Tisch. Vor Abschluss des Kompromisses war seine Linie klar.  
 
Horst Metz, Finanzminister



\"Ich bin außer Stande, als Finanzminister zu verantworten, dass wir diese Erhöhungen, wie sie jetzt im Schlichterspruch festgelegt sind, akzeptieren. Deswegen sage ich klar und deutlich: Der Schlichterspruch ist aus meiner Sicht nicht finanzierbar.\"



Heute - zwei Monate später - ist die Lage in den Kassen nicht besser. Was sagt Minister Metz, der im Januar noch die Erhöhung im öffentlichen Dienst für unfinanzierbar hielt, jetzt zu den geforderten 8,6 Prozent für die Abgeordneten.  
 
Horst Metz, Finanzminister



\"Wenn große Teile des Parlaments sich entschieden haben, es so zu tun, dann akzeptiere ich es.\"



\"Wie haben Sie sich persönlich entschieden?\"



\"Ich habe an dieser Abstimmung nicht teilgenommen, war nicht präsent.\"  
 
14.03.2003 | 10:58  


Quelle: mdr.de