PORNOGRAFIA
Staatsschauspiel Kleines Haus

am Freitag den 01.12.2006



»Um sich in seiner Männlichkeit zu bestätigen«, legt Angèle, Verfasserin einer Dissertation über das mimetische Verhalten der Reptilien, fröhlich aus, »begnügt sich der Mann nicht mehr mit der einfachen Penetration. Er fühlt sich in Wirklichkeit ständig bewertet, beurteilt, mit anderen Männern verglichen. Um dieses Unbehagen zu verjagen, um Lust verspüren zu können, muss er seine Partnerin heutzutage schlagen, erniedrigen, demütigen; er muss spüren, dass sie ihm völlig ausgeliefert ist. Man beginnt übrigens, dieses Phänomen auch bei Frauen zu beobachten«, schliesst sie lächelnd.
»Wir sind also verloren«, sage ich nach einer Weile. Ja, ihr zufolge seien wir das. Ja, wahrscheinlich. Michel Houellebecq, Tote Zeiten


Wie steht es um die Liebesfähigkeit einer bis in den letzten Winkel sexualisierten Gesellschaft?
Eine moderne Scheherezade: Ein (gealterter) Sexmaniac bestellt sich jeden Abend neue, attraktive Frauen, die für Geld beinahe alles zu tun bereit sind - bis er auf eine ebenfalls schon ziemlich in die Jahre gekommene Hobby-Prostituierte trifft. Diese beginnt ihrem Kunden eine packende Geschichte zu erzählen. Es ist eine Soap über skurrile Sexpraktiken und allerlei abartige Manien: über den Mann, der von Zimmerpflanzen erregt wird oder über die Frau, die nur mit schlafenden Männern Sex haben kann. Ohne es zu merken, gerät der alte Machtmensch immer mehr in den Bann der Erzählerin...
In »Pornografia« entsteht das Porträt einer Lebenswelt, in der alles schon da gewesen scheint, deren Mitglieder offenbar nur noch in den abartigsten Selbsinszenierungen zu sich selber finden.