Sächsische Zeitung
Donnerstag, 9. Dezember 2004
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Jung, dynamisch, erfolglos kriminell
Bafög. Zusammenarbeit von Ämtern macht Sozialbetrügern das Leben schwer.
Von Nils Brabandt

Es geht ein Gespenst um an den Universitäten. Es hört auf den beamtendeutschen Namen Datenabgleich und kann wie seine grusligen Geschwister mächtig erschrecken. „Im Jahr 2002 bekamen wir eine Aufforderung vom Bundesrechnungshof, die neuen technischen Möglichkeiten des Abgleichs zu nutzen“, erzählt Rudolf Pörtner, Vorsitzender des Ausschusses für Studienfinanzierung beim Studentenwerk Deutschland. „Bei anderen Sozialleistungen, wie dem Wohngeld, gibt es das ja schon lange.“

Seit zwei Jahren wird nun die bundesweite Ausbildungs-Förderungsdatei den Zahlen des Bundesamts für Finanzen gegenübergestellt. Im Finanzamt sind alle Freistellungsaufträge und die erwirtschafteten Zinsen gespeichert. Hat ein Bafög-Antragsteller hohe Zinserträge, verweist das auf Gelder, die als Sparbuch, Aktienfonds und ähnlichem im rechtlichen Dunkel schlummern. Dunkel jedenfalls dann, wenn die Beträge 5 200 Euro überschreiten und nicht im Bafög-Antrag als Vermögen angegeben werden. „Tritt solch ein Verdacht auf, müssen wir handeln“, erklärt Manfred Krebs, verantwortlich für die Ausbildungsförderung beim Dresdner Studentenwerk. „Zuerst fordern wir den Studenten auf, seine Konten offen zu legen. Nach einer Anhörung entscheiden wir, ob unsererseits Forderungen entstehen oder nicht.“ Kommt ein so genannter Rückforderungsbescheid, muss der Student das Geld innerhalb von vier Wochen überweisen. Stundungen gibt es nur im Ausnahmefall.

Härtere Gangart der Behörden

Wird außerdem Betrug vermutet, schalten sich die Gerichte ein. „Ein besonders krasser Fall ist mir aus Baden-Württemberg bekannt“, erinnert sich Krebs. „Dort hatte ein Student während seines gesamten Studiums Vermögen in sechsstelliger Höhe verschwiegen.“ Bei nachgewiesenem Betrug kommt es zu Strafanzeigen – im ungünstigsten Fall enden die Verfahren mit einer Vorstrafe. Normale Bewerbungen gestalten sich mit einem solchen Eintrag im Führungszeugnis sicherlich schwieriger – eine Anstellung im öffentlichen Dienst ist so gut wie ausgeschlossen. Nach Aussage der Dresdner Kanzlei Schulz & Freund sind Strafverfahren in Dresden noch die Ausnahme. „Bislang wurden nur wenige Fälle an den Staatsanwalt übergeben“, sagt der im Verwaltungsrecht erfahrene Jörg Freund. „Nach der Justizministerkonferenz im vergangenen Sommer rechnen wir allerdings mit einer härteren Gangart der Behörden.“

Das musste auch Beate Johann* erfahren. „Ich hatte extra für mein Pflichtsemester im Ausland Geld gespart“, sagt die TU-Studentin. „Als ich von dort wiederkam, musste ich das ganze Bafög zurückzahlen.“ Ein Bußgeld blieb ihr erspart, da kein Betrug vorlag. „Auf dem Antrag hatte ich alles nach bestem Wissen ausgefüllt“, sagt sie sichtlich enttäuscht.

Verschweigen immer schwerer

Wie eine Online-Umfrage des Studentenwerks Dresden zum Thema Bafög ergab, verstehen 40 Prozent der Befragten die Anschreiben und Formulare nicht. „Die auf dem Antrag gestellte Frage nach dem eigenen Vermögen ist eindeutig“, meint dazu Rudolf Pörtner. Jedoch räumt er ein, dass manche Studenten über ihr Vermögen gar nicht Bescheid wüssten. So wäre es üblich, Lebensversicherungen schon in jungen Jahren zu unterschreiben. Auch legten Eltern insgeheim Sparbücher für die Kinder an, um sie damit irgendwann zu überraschen. Hiergegen wendet jedoch Abteilungsleiter Krebs ein, dass „spätestens mit 18 Jahren die Kontoinhaber eine Nachricht von der Bank erhalten dürften, wenn auf ihren Namen Freistellungsanträge zur Zinsabschlagsteuer existieren.“ Selbst, wenn keine Benachrichtigung kommt: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. „Das wird im besten Fall als Fahrlässigkeit ausgelegt. Dafür ist ein Bußgeld in Höhe von acht Prozent der veranschlagten Bafög-Rückzahlung fällig“, sagt Rechtsanwalt Freund.

Momentan arbeitet das Bundesfinanzamt sogar an einer Konto evidenzzentrale. Ab dem 1. April des nächsten Jahres könnten über diese Zentrale alle Konten eines Sozialleistungsempfängers ermittelt werden – ganz unabhängig von Freistellungsaufträgen oder hohen Zinsen. „Der modernen Datenverarbeitung ein Schnippchen zu schlagen, wird immer schwieriger“, vermutet Pörtner. „Ich kann nur jedem Studenten raten, die Anträge ehrlich auszufüllen.“

* (Name geändert)